Gutachten
Gutachtertätigkeit / gerichtlich bestellte Gutachten oder Privatgutachten
Der Wert eines Gegenstandes, vor allem eines Kunstgegenstandes, ist schwer zu definieren. Die Fachwelt behilft sich mit genauen Definitionen von Marktwert, Wiederbeschaffungswert, Verkehrswert, oder dem Wert der besonderen Vorliebe (außerordentlicher Preis) – kein einziger diese Begriffe findet Deckung im Gesetzeswortlaut. (In: Kovacs, Kenndler, Ploil: Die Bewertung von Kunstobjekten. In: Der Sachverständige, Heft 1/2019, Seite 18 ff.)
In der Regel muss der Wert des begutachteten und geschätzten Kunstgegenstandes immer wieder von neuem erstellt werden. Ein einmal geschätzter Preis wird nicht ewig seine Richtigkeit haben. Nicht nur die naturwissenschaftlichen Forschungsmethoden bei der Gutachtenserstellung ändern oder vereinfachen sich im Lauf der Jahre, der Wert des Stückes wird sich in aller Regel noch schneller nach oben oder unten bewegen. So steht manch gefertigtes Gutachten nur für eine gewisse Zeitspanne für die Richtigkeit der abschließenden monetären Bewertung. Einige Zeit später kann für den gleichen Gegenstand viel mehr oder bedeutend weniger erzielt werden. Dieses Problem kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.
Bei der Beurteilung eines Wertes ist ebenso ausschlaggebend, ob die Verfügbarkeit des Objektes am Kunstmarkt mit vergleichbaren Stücken gegeben ist. In der angewandten Kunst des 20. Jahrhunderts sind Kunstgegenstände teilweise seriell erzeugt worden, nicht immer ist von einem singulären Meisterstück auszugehen. Bei Schäden an solchen Kunstwerken kann von einem Wiederbeschaffungswert ausgegangen werden, da es dem Geschädigten möglich ist, auf dem Kunstmarkt, nochmals ein gleiches Objekt zu erwerben.
Sollte trotz aller Vorsicht ein Schaden erfolgt sein, muss der Wiederbeschaffungswert bemessen werden. Der vom Schadensnehmer häufig überhöht genannte Wert, umgangssprachlich genannt als Liebhaberpreis, wird als „Wert der besonderen Vorliebe“ nicht leicht beim Verursacher zu erhalten sein. Primär wird erstmals versucht, eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu erreichen. Sollte dies nicht möglich sein, so hat „…der Schädiger dem Geschädigten den Wiederbeschaffungswert zu ersetzen…. jene Summe Geldes, die es dem Geschädigten ermöglicht, sich auf dem Markt einen Ersatzgegenstand zu beschaffen.“ (ebda, Seite 19).
Die merkantile Wertminderung ist, besonders bei Kunstwerken, mit der emotionaler Abneigung beim zukünftigen Käufer verbunden. Ein restauriertes Objekt wird immer ein solches bleiben, seriöse Sammler oder Museen vermerkten und artikulieren genau, welche Ergänzungen oder Renovierungen am Kunstwerk erfolgt sind. Wie hoch der Verlust der Originalität ist oder wie groß die Zerstörung historischer Substanz durch den Schaden war, muss vom Gutachter bei der Ermessung der merkantilen Wertminderung nach der Restaurierung, in Prozentsätzen festgelegt werden.
Der Wert der besonderen Vorliebe hat in den meisten Fällen große emotionale Bedeutung beim geschädigten Sammler. Er kann vom langwierigen Suchen nach dem fehlenden Stück für eine komplette Sammlung handeln, kann als besonderes Schnäppchen noch Jahre nach dem Ankauf beim Sammler Glücksgefühle auslösen, kann zeigen, ein Stück aus einer sehr bedeutenden Sammlung zu haben - kurz die Überlegungen zur Nennung des Preises sind kaum von wirtschaftlichen Überlegungen geleitet, sondern höchst subjektiv. Leider ist der Ärger dadurch schon vorprogrammiert. Ein neutraler Gutachter muss diese Gratwanderung bewältigen und soll sich die Argumente beider Seiten gut anhören, um zu einem vor Gericht standhaltendem Ergebnis zu kommen.
Die Beurteilung eines Gegenstandes durch den Gutachter zeigt sich in der Schwierigkeit bei der Bestimmung des Wertes. Allein die Provenienz des Objektes, sein Vorbesitzer also, kann den Wert um einiges steigern, auch wenn das Stück bereits als Fälschung erkannt ist.
Ist jede Veränderung eines Sammlers an Objekten seiner eigenen Sammlung eine Fälschung, oder gar Täuschung dem nächsten Besitzer gegenüber? Diese Frage ist schwer zu beantworten und stellt für den Gutachter eine Herausforderung dar. Wurde die „Verbesserung“ aus optischen, finanziellen oder aus praktischen Überlegungen angestellt? Wurde das Stück damit im Wert verbessert, wie ist die Plausibilität der Ergänzung im Hinblick auf die Nutzbarmachung des Stückes zu bewerten?
Bei einem Gutachten muss der Sachverständige zuerst eine Befundaufnahme erstellen. Dabei werden alle Fakten und Erkenntnisse neutral zusammengefasst und eventuelle zweite oder dritte Parteien einbezogen. Nach der Befundaufnahme kommt es zum Gutachten, in dem der Sachverständige alle ihm bekannten Details und Sachverhalte darlegt und mit Erklärungen und ausführlicher Darstellung in Kombination mit seinem Wissen, ein Gutachten vorlegt.